Die Entwicklung der heutigen Handtaschen

Geschichte der HandtaschenDie Geschichte der Handtasche begann bereits mit der Kraxe des „Ötzi“ (3.300 vor Christi). Verständlicherweise hatten schon die Menschen der Jungsteinzeit das Bedürfnis, Dinge nicht allein mit den Händen tragen zu können. So entwickelte sich eine Vorform des heutigen Rucksacks, mit deren Hilfe die Hände zur Jagd oder beim Sammeln frei gehalten werden konnten. Doch während die eigentliche Geschichte des heutigen Rucksacks erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts ansetzt, beginnt die der Handtasche bereits im frühen Mittelalter.

„Erfunden“ haben das heutige Modeaccessoire die Männer, denn diese trugen zunächst kleinere Taschen aus Stoff beziehungsweise Leder, welche sie an ihren Gürteln befestigten. Die Frauen folgten ihnen im 15./ 16. Jahrhundert, indem sie solche Täschchen an Ketten oder Riemen von ihren Gürteln hängen ließen. Hinzu kamen beutelförmige Taschen im 16. und 17. Jahrhundert, die jedoch aufgrund ihrer auffallenden Größe seltener getragen wurden – bevorzugt waren bei den Damen kleine versteckbare Täschchen aus Leinen, welche sich (auf den Unterrock genäht) unter den damals modernen weiten Röcken befanden. Den Inhalt konnten die Damen durch einen kleinen Schlitz im Rock erreichen.

Pompadour, Ridicule, Ridikül oder Handgelenksbeutel

Madame de PompadourIn der Zeit des Rokoko (18. Jahrhundert) folgte dann die Mode der Pompadour. Dieser, aus Seide genähter, Beutel wurde am oberen Ende mit zwei Schnüren zusammengebunden, die gleichzeitig (je nach Länge) einen Griff oder Schulterriemen darstellten. Er war ein Zeichen des Wohlstands und mit Perlen oder Rüschen verziert. Seine Erfinderin war Madame de Pompadour – Mätresse König Ludwig XIV. von Frankreich.
Eine Variante der Pompadour war die „Ridiküle“, welche noch längere Schnüre besaß und somit ein Vorläufer der späteren Umhängetasche war. Reiche Damen konnten sich auch kleine Handtaschen, die aus aneinandergereihten Metallgliedern bestanden, leisten. Allerdings war ihre Herstellung im frühen 18. Jahrhundert so aufwendig, dass sie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, mit der Einführung der ersten Maschinen für diese Arbeit, für die breitere Masse bezahlbar wurden.

Pompadour oder ReticuleMit Auftreten der engeren Gewänder (Directoire), konnten die Täschchen nicht mehr unter den Kleidern versteckt werden, sodass sich die Handtasche in der heute bekannten Form immer mehr durchsetzte. Nachdem sich um 1805 das Mieder endgültig etabliert hatte, traute sich kaum eine Frau ohne Handtasche aus dem Haus, denn darin konnte sie ihre Parfümfläschchen, Puderdöschen, kleine Spiegel, etwas Kleingeld, ein Taschentuch oder ihr Riechsalzfläschchen unauffällig transportieren.

Mit der Erfindung des Metallrahmens 1846 wurde die Form verändert: aus dem Beutel entwickelte sich die Handtasche, welche praktisch und modisch zugleich war. Noch strapazierfähiger waren Taschen aus Leder und mit Tragegriffen, allerdings glichen diese mit ihrem erstmals auftretenden Schnappverschluss eher einem Koffer. Außerdem waren die wertvollen, aus schwerem dunklen Wollstoff hergestellten und kunstvoll bestickten Gobelin-Taschen sehr begehrt.

Pochette Etui Tasche
Foto von Manfred Heyde (Eigenes Werk) CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Als eigentliches Modeaccessoire setzte sich die Handtasche Ende des 19. Jahrhunderts durch und erfuhr einen kleinen Fortschritt, als nach dem Ersten Weltkrieg das Leder knapp und teuer wurde. Dadurch griffen die Modehäuser auf Baumwollstoffe oder synthetische Materialien zurück. Hinzu kam 1923 der Reißverschluss. Neu waren in den goldenen Zwanzigern auch die Pochette (Etui-Tasche, die nach den Vorbildern aus dem 18./ 19. Jahrhundert gestaltet und unter dem Arm getragen wurde), exotische Tanz-Täschchen und die oben genannten Netztaschen, welche aus Metallgliedern gefertigt wurden und unten teilweise mit Fransen verziert waren.

Das eher geometrisch orientierte Design (Art Deco) änderte sich erst in den 1930er Jahren: von da an waren verspielte (zum Beispiel Seidenapplikationen), prunkvolle (aufwendige Verschlüsse) und künstlerisch hochwertig gestaltete (Stickereien aus Samt oder Chenille) Taschen gefragt. Zudem wurden immer mehr Kunststoffe verwendet. Neben den weiterhin gefragten Unterarmtaschen wurden Abendtaschen in abgeschwächten Farbtönen bevorzugt. Es folgten Ende der 30er Jahre große, aus Leinen und Kunststoff gefertigte, praktische Schulter- und Umhängetaschen mit langen Trageriemen.

50er Jahre: Hermès Kelly bag

Kelly
„Kelly Bag“ by Wen-Cheng Liu – Flickr: Licensed under CC BY-SA 2.0 via Commons

Die 1950er Jahre brachten Nylon, PVC und Kunstleder hervor und das Accessoire entwickelte sich zu kantigen, zur Öffnung hin verjüngenden, Rahmenhandtaschen mit breitem Boden. Kaum wegzudenken ist seit 1956 die nach Grace Kelly benannte „Kellybag“. Ebenfalls beliebt waren die aus Stroh oder Bambus gefertigten Gucci-Korbtaschen aus Italien, mit denen der Lederknappheit entgegen gewirkt werden sollte. Als abendlichen Begleiter nahm Frau die wieder modern gewordene Pompadour mit Schlaufe, aber auch die heute noch beliebten Etui-Taschen.

Erst in den 1970/ 80er Jahren entdeckten die großen Modeschöpfer, wie Versace, Gucci, Chanel, Dolce & Gabanna oder Aigner, dass die Handtasche nicht länger mehr als reines Accessoire zu sehen ist und entwarfen (limitierte) Kollektionen. Zuvor stellten diese zwar Handtaschen in den unterschiedlichsten Größen und Materialien her, jedoch waren diese Taschen eher individuell auf die Trägerin abgestimmte Einzelstücke. Das Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen schränkte ab 1976 die Reptillederverarbeitung ein, und bereitete so den Weg für die Entwicklung von Prägemethoden, die Rindsleder einer Krokodilhaut ähneln lassen.

In der heutigen Zeit sind der Mode keine Grenzen mehr gesetzt und so passt sich auch die Handtasche der individuellen Nutzung ihres Besitzers an: Neben unterschiedlichen Materialien sind inzwischen jedermann Bezeichnungen wie Shopper, Clutch oder Wochenendtasche bekannt, wobei auch die Gürteltasche ihre Renaissance erfährt. Ebenfalls zu den Handtaschen zählt der oben bereits erwähnte Rucksack. Wer die Geschichte noch einmal genauer verfolgen will, dem ist das Handtaschenmuseum in Amsterdam mit seinen 3.500 Ausstellungsstücken zu empfehlen.

Nach oben scrollen